Seit er 2015 aus Syrien nach Deutschland kam, räumt Tarek Hazzouri mit Ehrgeiz und Disziplin einen Stein nach dem anderen aus dem Weg. Manche Brocken bestanden aus Vorurteilen gegenüber Geflüchteten. Glücklicherweise spricht alles dafür, dass der Gründer nicht enden wird wie Sisyphos.

 Es ist November 2020. Die Webkonferenz zum Thema „Gründungsfinanzierung geflüchteter Menschen“ ist im vollen Gange. Über 50 Personen nehmen daran teil, darunter Vertreter aus dem Bankwesen und der Politik. Tarek Hazzouri soll von seinen Erlebnissen beim Gründen berichten. In einwandfreiem Deutsch ergreift er das Wort. Schildert, was alle vermuten, aber selten so offen angesprochen wird: Nach „Wir schaffen das“ und einer Phase der Euphorie folgten Ernüchterung und Alltagsrealität.

Vorbehalte hinsichtlich negativer Folgen der Zuwanderung erschweren die Integration in Deutschland seit jeher, obwohl sich das gesellschaftliche Klima langsam ins Positive wandelt. Tarek wünscht sich, dass künftige Gründer*innen mit vergleichbarer Fluchterfahrung bessere Bedingungen vorfinden werden, also argumentiert er konstruktiv: „Ich habe Lösungen vorgeschlagen, die mir selbst nicht mehr nützen werden. Aber vielleicht helfen sie anderen Menschen, die sich ihre Selbständigkeit aufbauen wollen.“

Immer wieder „Aber!“

Schon die ganz normalen Herausforderungen der Startphase können eine Last für Existenzgründer*innen sein. Migrations- oder Fluchterfahrung agieren als Verstärker. „Trotz meiner Erlaubnis zum Daueraufenthalt und meinen Sprachkenntnissen hörte ich immer wieder ein ‚Aber’. Das hat mich ausgebremst“, fasst Tarek das Erlebte zusammen.

Zuerst werden seine in Syrien erbrachten Studienleistungen im Bereich Ingenieurswesen nicht vollständig anerkannt. „Die Auseinandersetzung ging soweit, dass Rechtsanwälte eingeschaltet wurden. Aber anstatt eine Klage zu erwägen, entschloss ich mich, den Fokus auf meine Geschäftsidee zu lenken.“ Ein fehlender universitärer Abschluss mag verkraftbar sein für jemanden, der die Selbständigkeit wählt. Doch dafür brauchte es eine solide monetäre Basis. Hier lag ein dicker Brocken in Tareks Weg: Die Gründungsfinanzierung.

Pro Social Business half dem Gründer bei der Erstellung eines detaillierten Businessplans. Als er damit bei der Bank vorstellig wurde, stieß er jedoch auf Skepsis. Zu dieser Zeit bestand schon Ungewissheit darüber, welche Auswirkungen die Pandemie auf die avisierte Geschäftsentwicklung haben würde. „Ich war nicht ohne Sicherheiten aufgetreten. Aber ich verstehe auch, dass eine gewisse Vorsicht gegenüber Gründer*innen und neuen Ideen berechtigt ist“, blickt der Syrer auf das Scheitern seiner Gespräche über eine Kreditfinanzierung zurück.

Ganz typisch und doch ganz individuell

Wir wissen aus unserer Praxis heraus, dass ein großer Teil jener migrierter Menschen, die Gründungsabsichten signalisieren, schon früher einmal selbständig waren. Tarek Hazzouri ist keine Ausnahme. Er stammt aus einer Unternehmerfamilie.

Vater Hazzouri ist Landschaftsingenieur und führt in Syrien allen Widrigkeiten zum Trotz erfolgreich seinen eigenen Betrieb. Tarek wagte in der alten Heimat früh den Schritt in die Selbständigkeit. Zusammen mit seinem Bruder produzierte er Eiswürfel. Das kleine Unternehmen belieferte die Gastrobranche und Bäckereien, die das Eis zur Herstellung einer regionalen Brotspezialität benötigten.

Dieses Geschäft lief gut – bis zur Flucht

Tarek kommt in Deutschland an, lernt die Sprache, jobbt und will 2019 ein Ladengeschäft im Zentrum von Speyer eröffnen. Sein Vater würde dafür syrisches Olivenöl und andere Spezialitäten aus eigener Herstellung liefern. Darunter auch besonders exotische Feinkost, beispielsweise Granatapfelmelasse in traditioneller Machart. „Auch diese getrockneten Feigen und Datteln gibt es hier nicht. Ich bin der Erste, der sie importiert!“

Mit Corona rollt unerwartet der nächste Fels in den Weg und hat Folgen über das Scheitern der Kreditaufnahme hinaus: „Ich habe die Eröffnung auf später verschoben und bin aus heutiger Sicht froh über die Entscheidung. Ich hätte direkt alle Kosten für den Laden tragen müssen, aber es war unklar, ob die Corona-Hilfen in meinem Fall schon gegriffen hätten“.

„Lieber langsam wachsen als zu schnell“

Tarek Hazzouri beobachtet, wie sich der Handel während der Pandemie zunehmend ins Netz verlagert. „Wer einmal online bestellt hat, der bleibt dabei“, lautet seine Einschätzung, durch die er den Mut fasst, seine Idee wieder aufzugreifen – nur diesmal als Online-Shop anstatt eines Ladens. „Natürlich ist es schade, wenn manche Waren stationär kaum mehr erhältlich sind. Aber für die Kunden gibt es online viele Vorteile und billiger ist es in der Regel auch.“

Der „Al Hazzouri Online Shop“ geht im April 2021 online. Zur Realisierung seiner neuen Idee setzt der Gründer eigene Mittel ein und findet familiäre Unterstützung. Sein Bruder, der in Deutschland IT studiert, setzt mit ihm das System auf. „Der Start war viel einfacher als gedacht. Domain gesichert, WordPress installiert, Woocommerce aufgesetzt und los“. Als ebenso kleines Steinchen empfindet der Onlinehändler Pflichtaufgaben wie die Buchhaltung, zu denen er sich regelmäßig weiterbildet. „Ich mag es, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dann weiß ich, dass ich sie komplett verstanden habe und behalte die Kontrolle.“

Der Vater ist weiterhin der exklusive Lieferant. „Durch ihn garantiere ich die Qualität meiner Produkte“, so Tarek, der diese in einem kleinen Lager vorrätig hält. Aufgrund des fortwährenden Bürgerkriegs kommen sie über den Landweg nach Deutschland. „Die Logistik ist kein Problem, es dauert nur ein bisschen länger“, sagt Tarek.

Die besondere Produktauswahl des Spezialitäten-Shops spricht sich im ersten Jahr seines Bestehens herum. Der Verkauf läuft gut an, obwohl außer Empfehlungsmarketing noch keine Werbung gemacht wurde. Tarek geht Schritt für Schritt in die Selbständigkeit, möchte „lieber langsam wachsen als zu schnell“. Parallel geht er anderen Jobs und Projekten nach, um auf mehreren Standbeinen zu stehen. So fühlt er sich gegen das Risiko gewappnet, dass noch ein Stein aus dem Weg geräumt werden muss. Hoffentlich wird es dazu nicht kommen.

Wir wünschen dem „Al Hazzouri Online Shop“ einen großen Erfolg!

(Fotos: Gabi Pott)