Integration von Zuwander*innen und Menschen mit Fluchterfahrung in den Arbeitsmarkt – so kann sie gelingen

Obwohl Asylbewerber*innen aus Syrien, dem zurzeit wichtigsten Herkunftsland, humanitären Schutz genießen und auch nach ihrer Anerkennung voraussichtlich zum Großteil in Deutschland bleiben werden, vergeht bis zu ersten Maßnahmen ihrer Integration in den Arbeitsmarkt oft Zeit. Damit Integration jedoch ganz allgemein gelingen kann, ist Teilhabe die wichtigste Voraussetzung. Und genau für diese Partizipation gibt es Mittel und Wege, die wir in diesem Beitrag aufzeigen möchten.

Der Handlungsbedarf

Aus dem 10. „Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland“ der Bundesregierung geht hervor, dass es im Jahr 2015 eine Zuwanderung von 1,1 Millionen Menschen gab, was der höchste Wert seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland ist. Diese Wanderungsbewegungen, die nicht ausschließlich aus Zuzügen bestehen, sondern auch Fortzüge einschließen, haben allgemein in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen. Im Jahr 2016 waren die Zuwanderungszahlen wieder rückläufig, befinden sich aber insgesamt noch auf einem hohen Stand.

Der Handlungsbedarf liegt dabei auf der Hand:

  • Geflüchtete ohne Perspektive auf dem Arbeitsmarkt tragen weder zur Entwicklung des Einwanderungslandes bei noch können sie Angehörigen im Herkunftsland helfen.
  • Jeder Mensch bringt unabhängig von ethnischer oder sozialer Herkunft verschiedene Talente und Qualifikationen mit, die es individuell zu fördern gilt.
  • Arbeitsverbote blockieren das Anknüpfen an vorhandene Potenziale (beispielsweise in Form der Möglichkeit einer Selbständigkeit).
  • Asylbewerber*innen, denen die Möglichkeit, sich einzubringen, nicht offen steht, werden in der Öffentlichkeit als Belastung wahrgenommen.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bereiche Ausbildung und Arbeit eine Schlüsselstellung für die soziale Integration von Migrantinnen und Migranten einnehmen.

Alternative Wege zur Integration von Zuwanderer*innen in den Arbeitsmarkt sind somit zwingend erforderlich.

Die Selbständigkeit als Alternative

1. Beobachtungen zur Selbständigkeit von Migrant*innen

Will man Zuwander*innen effektiv in den Arbeitsmarkt integrieren, so stellt Selbständigkeit in unseren Augen eine sehr wichtige Alternative und Perspektive zu den vorhandenen Maßnahmen dar.

Eine selbständige Tätigkeit erlaubt es den Geflüchteten, ihre ganz persönlichen und beruflichen Kompetenzen, die sie bereits in ihrem Herkunftsland eingebracht haben, auch in ihrem Einwanderungsland zu nutzen und Gewinn und Arbeit bringend einzusetzen. Das Ergebnis ist Partizipation und darüber wiederum Integration.

Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zu den Gründungspotenzialen von Menschen mit ausländischen Wurzeln hat dabei einige ausgesprochen interessante Ergebnisse zu Tage gefördert:

  • Zwischen 2005 und 2015 hat sich die Zahl der Selbständigen mit Migrationshintergrund in Deutschland um 171.000 auf 737.000 erhöht. Das entspricht einem Wachstum von 30%.
  • Gleichzeitig ist die Anzahl der Selbständigen ohne Migrationshintergrund im gleichen Zeitraum um 90.000 zurückgegangen – und damit um 3% gesunken.

Wer dabei Klischees im Kopf hat und an die Dönerbude, den Pizzalieferdienst oder das griechische Restaurant denkt, der täuscht sich dabei allerdings, wie die Prognos-AG bei einer durch die Bertelsmann Stiftung beauftragten Studie herausgefunden hat. Fast die Hälfte aller Selbständigen mit Migrationshintergrund (48%) ist inzwischen nämlich im Dienstleistungsbereich außerhalb von Handel und Gastronomie tätig.

Die Prognos-AG stellt dabei einen erstaunlichen Effekt für den Arbeitsmarkt fest. So waren im Jahr 2014 alleine dank der unternehmerischen Tätigkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund knapp zwei Millionen Menschen (1,993 Millionen) in Arbeit. Der Beschäftigungsbeitrag hat sich in diesem Zeitraum damit um 33% erhöht, während aber gleichzeitig der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund nur um etwas weniger als 9% gestiegen ist.

2. Schlussfolgerungen aus diesen Beobachtungen

Überträgt man den positiven Effekt, den Unternehmensgründungen von Menschen mit Migrationshintergrund auf die deutsche Wirtschaft haben, auf das Potenzial, das die noch nicht in den Arbeitsmarkt integrierten Zuwanderer der letzten Jahre mitbringen, so ergibt sich daraus eine ganz logische Schlussfolgerung:

Geflüchtete könnten bei der zur Verfügung stehenden Option, eine selbstgewählte und selbständige Tätigkeit zu ergreifen, nicht nur ihre ganz eigenen beruflichen und persönlichen Kompetenzen einbringen, sie würden analog zu den eben genannten Zahlen auf lange Sicht ebenfalls Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln.

3. Fragen zur Machbarkeit

Verfolgt man nun diesen Ansatz der Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt weiter, so muss auch über die Machbarkeit gesprochen werden. Schließlich muss seitens der Menschen auch eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden sein, eine selbständige Tätigkeit mit all den damit verbundenen Risiken zu ergreifen.

In diesem Zusammenhang erwähnt sei zunächst eine Beobachtung von René Leicht, dem Leiter des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim (IFM). Dieser vertritt nämlich die These, dass Zuwander*innen, die sich zum völligen Neuanfang fernab der Heimat entschließen, eine Firmengründung als Chance und eben nicht als Wagnis sehen. So gründet laut Leicht die erste Generation mit Migrationshintergrund mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit ein Unternehmen wie die zweite Generation. Die Gründe dafür sieht er unter anderem in der ohnehin schon großen Risikoneigung von jenen Menschen, die eine Wanderungserfahrung hinter sich haben.

Damit diese grundsätzlich also vorhandene Bereitschaft zur Unternehmensgründung realisiert werden kann, braucht es jedoch eine Aufenthaltsgenehmigung sowie eine Erlaubnis, eine selbständige Tätigkeit überhaupt ergreifen zu dürfen. Dass die Integration von Zuwander*innen in den Arbeitsmarkt auf diese Weise nachhaltig gelingen kann, zeigt weiterhin das Institut für sozialpädagogische Forschung (ISM) aus Mainz, das in Kooperation mit der Social Impact gGmbH eine Studie zu einem Machbarkeits- und Umsetzungskonzept vorgelegt hat (März 2016).

Hierin angesprochen werden gezielte Möglichkeiten, gründungsinteressierten Geflüchteten zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt erste Einblicke in das deutsche Gründungsgeschehen zu geben und geeignete Kandidaten frühzeitig zu fördern. Beispielsweise in Form von Hospitationen bei Unternehmerinnen und Unternehmern, durch Mentorenprogramme oder auch berufsbezogene Deutschkurse.

Fazit

Das Erkennen von Gründungspotenzialen unter Geflüchteten, das Vermitteln von Kernkompetenzen und das Fördern der individuellen Potenziale wird von den Ersteller*innen der Studie auf einen geringen Kostenbeitrag pro Person und pro Jahr geschätzt. Und auch die herausgestellten positiven Effekte Selbständiger mit Migrationshintergrund auf die Wirtschaft und Gesellschaft des Ziellandes, führen zur einzig logischen Konsequenz: das Projekt anzupacken und die Theorie zur Praxis werden zu lassen.

Oder mit den Worten Friedrich von Schiller: „Frisch also! Mutig an’s Werk!“